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Datum: 25.04.2024

Job-Turbo bringt Geflüchtete aus der Ukraine in Arbeit

  • Jobcenter bilanziert am Beispiel der Musikschule Wasilesku die bundesweite Kampagnenwoche

Hanna Sokol strahlt, ihre Tochter Mariȉa auch. Die Musiklehrerin aus der Ukraine arbeitet seit Januar in der Musikschule Wasilesku. „Ein Gewinn für beide Seiten“, finden Agathe und Oliver Wasilesku, die Inhaber der Neuburger Institution am Oswaldplatz. „Solche Arbeitgeber brauchen wir“, lobt Michael Pfaller, Geschäftsführer des Jobcenters Neuburg-Schrobenhausen beim Ortstermin. Die Arbeitsagentur beteiligt sich an der bundesweiten Job-TurboKampagnenwoche. Ziel ist die schnellere Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten.

Bild vergrößern: Job Turbo © Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen
Zündeten in der Neuburger Musikschule Wasilesku den Job-Turbo: Musiklehrerin
Hanna Sokol, Landrat Peter von der Grün, Oliver Wasilesku (Leiter der
gleichnamigen Musikschule), Mariia Sokol und Michael Pfaller, Geschäftsführer des
Jobcenters Neuburg-Schrobenhausen. (von links)

Landrat Peter von der Grün hatte sich am Mittwoch Zeit genommen und hob das Programm der Bundesregierung hervor, mit dem ukrainische Kriegsgeflüchtete in Arbeit gebracht werden sollen. „Sie sind für mich ein Musterbeispiel, wie Integration durch Sprache und Arbeit funktionieren kann“, sagte er zu Hanna Sokol. Der Job-Turbo zielt darauf ab, neben dem Erwerb der deutschen Sprache durch gezielte Qualifizierung eine zeitnahe Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Die vierköpfige Familie Sokol, auch die beiden Töchter (15 und 9 Jahre) und der Ehemann leben mittlerweile in Neuburg, stammt aus Nikopol, einer 100.000-Einwohnerstadt am Ufer des Dneprs direkt gegenüber des Kernkraftwerks Saporischja. „Drei Kilometer entfernt verläuft die Front“, erzählte Hanna Sokol. Grund genug, schon wenige Wochen nach Kriegsausbruch im Februar 2022 aus der Heimat in Richtung Westen zu fliehen.

Das Neuburger Jobcenter arbeitet derzeit auf Hochtouren an der Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt. Es ist für rund 520 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sowie circa 450 Personen aus Asyl-Herkunftsländer zuständig. Die Mitarbeitenden stünden in laufendem Kontakt, um die Menschen zu beraten und gezielt zu vermitteln, unterstrich Michael Pfaller. Zunächst erhielten die Geflüchteten zu Existenzsicherung Bürgergeld, doch nach dem Ankommen und einer Orientierungsphase sei es wichtig, sie im Bewerbungsverfahren zu unterstützen. Dies geschieht etwa durch Qualifizierungsmaßnahmen bei Bildungsträgern, oder den direkten Kontakt mit potenziellen Arbeitgebern auf Jobbörsen, Job-Speed-Datings oder durch Probearbeiten.

So hat es auch Hanna Sokol geschafft. Nach dem Integrationskurs und einem weiteren Sprachkurs beim Beruflichen Fortbildungszentrum (BFZ) Ingolstadt wurde sie in ein Praktikum vermittelt. „Sie hat bei uns angefangen und direkt einen guten Eindruck hinterlassen“, so Agathe Wasilesku. Die neue Mitarbeiterin besuchte in ihrer Heimat ein Konservatorium und wurde zur Pianistin und Musiklehrerin ausgebildet. Später arbeitete sie an einer staatlichen Musikschule. „Ein Glücksfall für uns“, freute sich Seniorchef Klaus Wasilesku. Prinzipiell sei das Niveau der künstlerischen Ausbildung in Osteuropa sehr hoch und sehr straff. „Bei uns geht Lernen nur über Spaß, sonst würden Musikschüler nach zwei Wochen nicht mehr kommen. Dort lernt man eher durch Drill.“

Genau solche Arbeitgeber brauchen wir“, betonte Michael Pfaller. „Man braucht Mut, aber es lohnt sich.“ Bisher, so die Zahlen aus Berlin, haben nur 15 Prozent der 700.000 nach Deutschland geflüchteten, erwerbsfähigen Ukrainerinnen einen Job, von dem sie leben können. Weitere sechs Prozent arbeiten in einem Minijob. Die große Mehrheit bekommt Bürgergeld. Das soll sich nach dem Willen der Ampelregierung ändern. Denn immerhin haben 72 Prozent von ihnen einen Hochschulabschluss, hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) ermittelt. Ein großes Potenzial also, das gehoben werden soll.

Jobcenter-Chef Michael Pfaller unterstrich, dass gute Deutschkenntnisse unabdinglich für den Erfolg im Berufsleben seien. Insgesamt haben im Landkreis inzwischen rund 140 Asylbewerber sowie 115 ukrainische Kriegsflüchtlinge einen Sprachkurs beendet. „Trotz unsicherer Rahmenbedingungen am regionalen Arbeitsmarkt nimmt die Beschäftigung von Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern zu. Der Job-Turbo zeigt also Wirkung“, freute sich Herr Pfaller.

Mit ihren beiden Töchtern kam Hanna Sokol vor zwei Jahren zunächst nach Nürnberg. Dann fand sie über Bekannte eine Wohnung in Neuburg. Ihr Ehemann folgte ein Jahr später nach. Er ist gelernter Rechtsanwalt und macht mittlerweile ebenfalls über eine BFZ-Maßnahme ein Praktikum. Hanna Sokol hofft, dass er ebenfalls Zugang zum Arbeitsmarkt findet. Die Sprache ist der Schlüssel, weiß auch sie. „Juristendeutsch ist nochmals schwerer, aber er arbeitet hart.“ Genauso wie Tochter Mariȉa. Die 15-Jährige besucht die Neuburger Wirtschaftsschule und ist Klassenbeste. Sie möchte nach der Mittleren Reife die FOS besuchen, dem Papa nachstreben und Jura studieren. Gute Aussichten für den Arbeitsmarkt also.