Inhalt
Datum: 11.02.2022

Wie geht es Kindern und Jugendlichen in der Pandemie?

  • Auswertung der Umfrage im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen

Im November 2021 haben das Gesundheitsamt, die Offenen Hilfen und der Verein Frühförderung eine Onlinefachtag zum Thema „Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ abgehalten und über die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie gesprochen. Begleitend zum Fachtag erfolgte eine Onlinebefragung, an der sich Eltern und Fachkräfte aus dem Landkreis beteiligt haben.

Mit der Onlineumfrage wollten die Veranstalter einen Eindruck davon bekommen, wie Eltern und Fachkräfte die Situation ihrer Kinder einschätzen. Dabei konnten sie über positive aber auch belastende Veränderungen während der Pandemie berichten. Auch wenn die Zahl der Umfrageteilnehmer keine repräsentativen Rückschlüsse zulässt, haben sich die fast 100 Erwachsenen ganz ähnlich geäußert wie die Teilnehmer der bundesweiten Studien Copsy-Studie (Studie zu Corona und Psyche am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf).

So berichten die Neuburger Teilnehmer, dass der Medienkonsum von Kindern stark angestiegen sei, während die Bewegung an der frischen Luft oder in den Vereinen drastisch abgenommen habe. Mehr als Zweidrittel der Befragten berichteten von belastenden psychischen Veränderungen wie Stimmungsschwankungen, Angststörungen, Schlafproblemen und Unsicherheiten der Kinder.

Diesen Eindruck bestätigte beim Fachtag auch der Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. Simon Mayer. Er hat beobachtet, dass vor allem Essstörungen, Zwangsstörungen und Selbstverletzungen oder gar Suizidversuche deutlich zugenommen hätten. Dabei sei aufgefallen, dass plötzlich Kinder aus der gehobenen Mittelschicht mitunter schwer unter Schulschließungen und Lockdown gelitten hatten und psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen mussten. Die fehlende Tagesstruktur sei neben den Kontaktbeschränkungen eine große Herausforderung gewesen. Gerade im Jugendalter fehlte die Möglichkeit, sich mit Freunden zu treffen oder einen Verein zu besuchen. „Die Schutzfaktoren die normalerweise vor Stress schützen, sind dabei weggebrochen“ beschreibt Mayer die Konsequenzen. Sieben von zehn Kindern hätten angegeben, dass ihre Lebensqualität unter den Einschränkungen leide. Dass sich daraus zum Teil neue Hobbies oder Interessen entwickelt haben, gab immerhin knapp 30 Prozent der Befragten an. Durch den zwangsläufigen Rückzug konnte im besten Fall die Zeit für Malen, Musik, Lesen, Basteln oder Spielen genutzt werden; das und die Option auf Homeoffice fanden besonders Familien mit kleineren Kindern sehr schön: Es sei wieder Raum für die kleinen Dinge, für Waldspaziergänge und mehr Freizeit.
Auch Herbert Renz-Polster, renommierter Kinderarzt und Buchautor, hat an der Fachtagung im Landkreis teilgenommen. Sein Eindruck: „Gestresste Kinder lernen nicht!“ und „Bildung braucht leuchtende Augen!“ Für die Schulen sei es deshalb wichtig, jetzt nicht zu viel Leistungsdruck aufzubauen. Vielmehr bräuchten Kinder das Gefühl von Sicherheit, Gemeinschaft und Struktur. Tagungsreferentin und Bildungsexpertin Margret Rasfeld erwartet von der Schule ebenfalls mehr als Leistungstest und Wissensvermittlung. Ansätze von „Schule im Aufbruch“ könnten wichtige Ankerpunkte geben: Kooperationsfähigkeit, Kreativität, Empathie, Eigenverantwortung und die Bereitschaft zu Engagement durch eigene Motivationen und Lösungskompetenz.

Auf die Frage, warum sie dieses Thema initiiert hat, antwortet Johanna Ehm, Sozialpädagogin am Gesundheitsamt und Mutter von zwei Söhnen im Jugendalter: „Im Wirrwarr der Pandemiebewältigung haben wir unseren Kindern und Jugendlichen über einen langen Zeitraum viel zugemutet: Masken und Pflichtprogramme in der Schule, fehlende Sozialkontakte und schier kein Raum für so dringend nötige Entwicklungsaufgaben in der Pubertät. Es ist Zeit, den Blick auf die Situation der jungen Generation zu richten.“

Die Ergebnisse der Studie sind online einzusehen unter: www.neuburg-schrobenhausen.de/fachtag.