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Datum: 16.11.2022

Landrat macht auf Situation in der Akut- und Notfallversorgung aufmerksam

  • Peter von der Grün richtet sich mit Schreiben an politisch Verantwortliche

Landrat Peter von der Grün hat sich in seiner Funktion als Vorsitzender des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung der Region Ingolstadt (ZRF) mit einem Schreiben an die politisch Verantwortlichen gewandt und darin auf die aktuelle Lage in der Akut- und Notfallversorgung aufmerksam gemacht.

Er schildert u.a. massive Probleme bei der Besetzung von Notarzt- und Rettungsdienstschichten und weist darauf hin, dass Abmeldungen von Stationen, Abteilungen und auch von Notaufnahmen in Krankenhäusern an der Tagesordnung seien. Um gemeinsam mit der Politik und allen Beteiligten eine rasche und nachhaltige Lösung zu erzielen, haben die Zweckverbandsmitglieder konkrete Lösungsansätze erarbeitet und diese dem Brief, der an den Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann, den Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek, sowie Bundestags- und Landtagsabgeordnete aus der Region 10 gerichtet ist, beigefügt.

Wortlaut des Schreibens:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

die bereits zuvor vorhandenen Problemstellungen und Entwicklungen in der Akut- und Notfallversorgung haben mit dem Ausbruch der Covid-19 Pandemie enorm zugenommen.
Fortwährend kommt es zu massiven Problemen bei der Besetzung von Notarzt- und Rettungsdienstschichten. In den Krankenhäusern sind Abmeldungen von Stationen, Abteilungen und auch von Notaufnahmen an der Tagesordnung.
Die Versorgung der Notfallpatienten durch die präklinische und klinische Akut-versorgung wird zunehmend durch Personalmangel – Gründe sind u. a. fehlender Nachwuchs, Krankheit, mangelnde Wertschätzung, jahrelange Überlastung durch Covid19, Personalflucht – gefährdet.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass auch in der ambulanten Notfallversorgung keine Besserung in Sicht ist.
Die Erreichbarkeit des hausärztlichen Notfalldienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns über die 116 117 ist ungenügend. Viele Bürger berichten übereinstimmend, dass sie diese Service-Nummer nicht oder erst nach langer Wartezeit erreichen konnten. Hausarztpraxen nehmen oft keine neuen, zusätzlichen Patienten mehr an und führen auch keine indizierten Hausbesuche durch.
Als Konsequenz hieraus wird verstärkt der Notruf 112 gewählt.
Im Ergebnis wird eine vermehrte Anzahl von Rettungsdiensteinsätzen erzeugt. Bayernweit sind besorgniserregende Einsatzzunahmen in der Notfallrettung und im Krankentransport festzustellen. Verschärft wird die Situation zusätzlich durch unbesetzte Notarztstandorte – lebensbedrohliche Unterversorgungssituationen nehmen zu.

Es kommt deshalb immer öfter zu folgenden Szenarien:

Die Mitarbeiter / -innen der Integrierten Leitstellen (ILS) nehmen den Notruf des Patienten an und disponieren das erforderliche, nächstgelegenste Rettungsmittel. Sofern dieses verfügbar ist, übernimmt die Besatzung des Rettungsmittels den Einsatz oder, wie es derzeit oft passiert, übernimmt ein weiter entferntes Rettungsmittel den Einsatz.

Am Einsatzort angekommen wird der Patient durch den Rettungsdienst versorgt, sein Zustand stabilisiert und eine Lagemeldung an die ILS abgegeben. Dieses geschieht, wenn möglich, ohne einen Notarzt nachzufordern, denn dieser steht auch zunehmend nicht mehr zur Verfügung, sei es da der örtlich zuständige Notarztstandort nicht besetzt ist oder der Notarzt in seinem oder in einem Nachbar-Notarztbereich einen weiteren Patienten versorgen muss.
Die Mitarbeiter /-innen der ILS regeln alle notwendigen Schritte, melden den Patienten in einem Krankenhaus an – auch hier stehen immer weniger Krankenhäuser für die Patientenaufnahme zur Verfügung, da viele Abteilungen, Stationen bzw. Intensivbetten regelmäßig wegen Personalmangels abgemeldet sind und deshalb ein aufnahmebereites Krankenhaus erst zeitaufwendig gesucht werden muss. Leider passiert es häufig, während sich der Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus befindet, dass das Ziel-Krankenhaus auch abgemeldet wird. Dann geht die Suche von Neuem los.
Diese ganzen Problemstellungen kosten Zeit, die Geduld aller Betroffenen, verlängern die Transportzeiten und gehen zu Lasten der Patienten und deren Gesundheit. Die vorhandenen Ressourcen in der Akut- und Notfallversorgung sind für diesen Mehraufwand nicht vorgesehen und reichen deshalb bei weitem nicht aus.
Alle Mitarbeiter / -innen in der Akut- und Notfallversorgung werden immer mehr belastet – die Motivation und die Kräfte der Betroffenen schwinden immer mehr – hier muss sofort etwas passieren, ansonsten wird sich der Personalmangel noch extrem verstärken!
Es ist bereits fünf Minuten nach Zwölf – damit die Sicherung der Daseinsfürsorge weiterhin garantiert und aufrechterhalten werden kann, sind kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation notwendig. Das bestehende System im Gesundheitswesen und in der Notfallversorgung muss reformiert, verbessert und optimiert werden.
Die von uns erarbeiteten Lösungsansätze sind in der Anlage beigefügt.

Ich appelliere im Namen des ZRF Region Ingolstadt an Sie als politisch Verantwortliche, dass Sie gemeinsam mit allen Beteiligten alles Erforderliche unternehmen, damit die Lage schnell und nachhaltig verbessert werden kann.
Das Gesundheitswesen und die Notfallversorgung sollten nicht als Wirtschaftsunternehmen betrachtet werden, sondern als existentielle Bestandteile der Daseinsfürsorge.“