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Datum: 14.11.2022

Dramatische Lage in den Krankenhäusern: Gemeinsamer Brief der Landräte und des OB der Region 10 an den Bundesgesundheitsminister

Die Landräte der Region 10, Peter von der Grün aus Neuburg-Schrobenhausen, Alexander Anetsberger aus Eichstätt und Albert Gürtner aus Pfaffenhofen sowie Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf, weisen in einem gemeinsamen Schreiben an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf die dramatische Entwicklung in Kliniken und Krankenhäusern hin.

Das Schreiben im Wortlaut:

 „Als Landräte der Landkreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen und als Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt stehen wir einer dramatischen Entwicklung in unseren Kliniken und Krankenhäusern hilf- und machtlos gegenüber. Wir fordern Sie als politisch Verantwortlichen auf, den Kliniken und Krankenhäusern umgehend kurzfristig finanzielle Unterstützungen bereitzustellen und mittel- bis langfristig umfassende und nachhaltige Reformen des Gesundheitswesens durchzuführen, sodass eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden kann.

Seit Beginn der SARS-COV-2-Pandemie hat sich die strukturelle Situation der Krankenhäuser im Laufe der Corona-Pandemie fortlaufend verschlechtert. Diese Entwicklung hält an und nimmt nun dramatische Formen an.

1. Seit nunmehr 2 ½ Jahren versorgen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Kliniken und Krankenhäuser unter wechselnden, aber stets hohen Belastungen, zum Teil an der Belastungsgrenze und in den Spitzen der Infektionswellen auch sicher über diese hinaus, die Bürgerinnen und Bürger in unserer Region. Die Belastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Versorgung von Corona-positiven Patientinnen und Patienten – im Oktober 2022 auf einem Rekordniveau – sowie der Nicht-infizierten Patientinnen und Patienten steigen immer weiter an. In der aktuellen Situation ist es für die Mitarbeiterschaft nur noch mit enormem persönlichen Aufwand und selbstloser Einsatzbereitschaft möglich, die medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger auf dem notwendigen Niveau zu halten.

Infolge dieser immens hohen Belastungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die sich, wie gesagt, nun bereits im dritten Jahr (!) den Anforderungen der Corona-Pandemie stellen – steigen in den Krankenhäusern kontinuierlich die Krankheitsquoten über alle Berufsgruppen hinweg deutlich an. Damit einhergehend steigt wiederum der Druck auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dennoch für den Dienst an den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.

Die aktuelle Lage ohne Aussicht auf Besserung lässt einstmals hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frustriert zurück, manche kehren den Gesundheitseinrichtungen den Rücken.

Die hohen Ausfallquoten sowie der generelle Mangel an Personal in den Gesundheitsberufen führt zu Bettensperrungen und gefährden eine umfassende medizinische Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger!

2. Die in Folge reduzierten Fallzahlen führen wirtschaftlich zu einem deutlichen Einbruch der Erlöse bei gleichzeitig immer weiter steigenden Vorhaltekosten unserer Klinken und Krankenhäuser. Diese sind starken fremdverschuldeten Kostenbelastungen ohne adäquaten finanziellen Ausgleich ausgesetzt.

Zudem erschweren seitens der Politik zusätzlich geschaffene strukturelle Anforderungen an die medizinische Leistungserbringung, ergänzt um gleichzeitig stetig zunehmenden Bürokratismus, die Arbeit der Krankenhäuser.

Wir sehen unsere Kliniken mit der Situation konfrontiert, dass sie unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erhebliche negative Jahresergebnisse aufweisen, die uns als Träger der Einrichtungen z.B. in der Garantenstellung der Liquidität überfordern.

Es ist unseren Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Kliniken, die seit nunmehr drei Jahren unter Einsatz aller – auch persönlichen – Kräfte im Krisenmodus der Corona-Pandemie arbeiten, nicht mehr zu erklären, dass unsere Kliniken im Ergebnis in eine existenzbedrohende, negative wirtschaftliche Situation kommen.

Dringend erforderliche Investitionen in die Infrastruktur der Häuser sind in dieser schlechten finanziellen Situation nicht mehr abbildbar. Investitionen, die den Energieverbrauch der Krankenhäuser senken bzw. die Hitzebelastungen der Häuser in den heißen Sommermonaten für die Patientinnen und Patienten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduzieren, sind schlicht nicht finanzierbar und damit trotz dringender Notwendigkeit nicht umsetzbar.

3. Der Ausblick unserer Kliniken und Krankenhäuser in das nächste Jahr lässt diese ratlos zurück. Verlässliche Zusagen zu einer adäquaten Finanzierung der Kosten sind nicht vorhanden. Weitere neue Eingriffe der Gesetzgebung sind nicht durchdacht, unklar und nicht als Grundlage für eine einigermaßen belastbare Planung geeignet.

Ein neuer ambulanter Leistungskatalog liegt vor und soll bereits ab dem 01.01.2023 Anwendung finden. Wie die Finanzierung der Leistung erfolgt, bleibt völlig offen. Wie sollen die Krankhäuser diese Form der Leistungserbringung, auch hinsichtlich notwendiger Anpassungen in den jeweiligen Strukturen der Häuser, einigermaßen sicher planen und umsetzten können?

Ähnlich hoch ist die Ratlosigkeit unserer Kliniken und Krankenhäuser über die Initiative aus dem Gutachten der Regierungskommission zu Tagesbehandlungen von stationären Patienten. Ein formuliertes Ziel darin ist: „In verschiedenen Berufsgruppen reduzieren sich Nacht- und Wochenenddienste, was die individuelle Belastung des Personals merklich senkt. Das frei werdende Personal kann an anderer Stelle im Krankenhaus eingesetzt werden, zum Beispiel zur Verbesserung des Patienten-/Personalschlüssels.“

Wie soll dies in der Praxis umsetzbar sein, wenn die Personaluntergrenzen vollumfänglich einzuhalten sind und nicht „genügend“ Patientinnen und Patienten für die Nacht nach Hause gehen können? Bei einer Krankenstation mit 30 Patientinnen und Patienten und einer Personaluntergrenze von 1:20 (z.B. Fachabteilung Innere Medizin) müssten 1/3 der stationären Patientinnen und Patienten einer Station nach Hause gehen, um einen Nachdienst „einzusparen“!

Ganz abgesehen von der Fragestellung, wie dieser damit einhergehende zusätzliche administrative Aufwand vom vorhanden Personal geleistet werden soll und die Versorgung dieser Patientinnen und Patienten zu Hause bewerkstelligt werden kann.

Für uns alle verstärkt sich – mit sorgenvollem Blick auf die Arbeitsbedingungen für die Krankenhäuser – der Eindruck, dass eine politische klare und zielgerichtete Ausrichtung der zukünftigen Patientenversorgung unterbleibt und die strukturellen Defizite bewusst in Kauf genommen werden.

Dieses ist für uns als Träger unserer lebensnotwendigen Einrichtungen mit großer Verantwortung für alle Bürgerinnen und Bürger nicht hinnehmbar!“